Wenn plötzliche Schwellungen auftreten: Ursachen von Angioödemen im Überblick

Stellen Sie sich vor, Sie wachen morgens auf und Ihr Gesicht ist plötzlich stark geschwollen – die Augenlider, Lippen oder Wangen sind deutlich angeschwollen und die Haut spannt unangenehm. Oder Sie verspüren plötzlich starke Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, ohne dass Sie sich einen Infekt oder eine verdorbene Mahlzeit erklären könnten. Hinter solch ungewöhnlichen Beschwerden kann sich ein Angioödem verbergen, das im Volksmund auch als Quincke-Ödem bekannt ist.

Doch was genau ist ein Angioödem? Welche Formen und Ursachen gibt es? Und wann sollten Sie unbedingt einen Arzt aufsuchen? Es gibt verschiedene Formen und Ursachen von Angioödemen, die unterschiedliche diagnostische und therapeutische Maßnahmen erfordern. Wir geben Ihnen einen Überblick über dieses facettenreiche Krankheitsbild. Denn je besser Sie über mögliche Ursachen und Warnzeichen Bescheid wissen, desto schneller können Sie im Ernstfall richtig reagieren.

Was sind Angioödeme?

Plötzlich auftretende Schwellungen können beunruhigend sein und viele Fragen aufwerfen. Wenn Sie selbst oder jemand in Ihrem Umfeld wiederholt von solchen Symptomen betroffen ist, könnte ein Angioödem dahinterstecken. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff?

Angioödeme sind plötzlich auftretende, schmerzlose Schwellungen der Haut, Schleimhäute oder des darunterliegenden Gewebes. Sie entstehen durch eine vorübergehende Erweiterung der Blutgefäße und eine erhöhte Durchlässigkeit der Gefäßwände, wodurch Flüssigkeit ins Gewebe übertritt. Im Gegensatz zu allergischen Reaktionen oder Nesselsucht sind die tieferen Hautschichten betroffen, und es tritt kein Juckreiz auf.

Angioödeme können prinzipiell überall am Körper auftreten, bevorzugt sind jedoch das Gesicht, die Zunge, der Kehlkopf sowie die Extremitäten. Seltener können auch innere Organe wie der Magen-Darm-Trakt betroffen sein. Die Schwellungen entwickeln sich meist innerhalb von Minuten bis Stunden und bilden sich in der Regel nach 12−72 Stunden vollständig zurück.

Je nach Lokalisation und Ausprägung sind Angioödeme nicht nur lästig und entstellend, sondern können auch lebensbedrohlich sein. Insbesondere Schwellungen im Bereich der oberen Atemwege können zu einer Verlegung der Luftwege bis hin zum Erstickungstod führen. Abdominelle Attacken können mit heftigen Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen einhergehen und werden nicht selten fehldiagnostiziert, was zu unnötigen Operationen führen kann. Eine frühzeitige Diagnose und adäquate Behandlung sind daher essenziell.

Allergische Ursachen von Angioödemen

Allergien sind die häufigste Ursache von Angioödemen. Hierbei kommt es durch den Kontakt mit einem Allergen, beispielsweise Nahrungsmittel, Medikamente oder Insektengifte, zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems. Vermittelt wird diese Reaktion durch IgE-Antikörper, die an der Oberfläche von Mastzellen gebunden sind. Bei erneutem Allergenkontakt führt dies zu einer schlagartigen Ausschüttung von Histamin und anderen Entzündungsmediatoren, was letztlich zur Gefäßerweiterung und Ödembildung führt.

Allergische Angioödeme treten meist akut innerhalb von Minuten bis wenigen Stunden nach Allergenkontakt auf. Oft sind sie mit anderen allergischen Symptomen wie Juckreiz, Nesselsucht, Atemnot oder Kreislaufsymptomen bis hin zum anaphylaktischen Schock kombiniert. Zur Diagnose sind eine sorgfältige Anamnese, Hauttests und die Bestimmung von spezifischem IgE wegweisend.

Die Therapie besteht in der Vermeidung der auslösenden Allergene sowie der Gabe von Antihistaminika und Kortikosteroiden in der Akutsituation. Bei schweren Verläufen kann auch die Gabe von Adrenalin notwendig sein. Patienten mit Anaphylaxie-Risiko sollten zudem ein Notfallset mit sich führen.

Medikamenten-induzierte Angioödeme

Bestimmte Medikamente können ebenfalls Angioödeme auslösen. Am häufigsten sind ACE-Hemmer betroffen, die zur Behandlung von Bluthochdruck und Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Aber auch andere Medikamente wie Sartane, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), Antibiotika oder Kontrazeptiva kommen als Auslöser in Frage.

Der genaue Pathomechanismus ist nicht in allen Fällen geklärt. Bei ACE-Hemmern geht man davon aus, dass es durch die Hemmung des Abbaus von Bradykinin zu einer Anhäufung dieses gefäßerweiternden Stoffes kommt. Die Beschwerden treten oft innerhalb der ersten Wochen nach Therapiebeginn auf, können sich aber auch erst nach Monaten oder Jahren entwickeln.

Medikamenten-induzierte Angioödeme können leicht bis lebensbedrohlich verlaufen und sind klinisch nicht von anderen Formen des Angioödems zu unterscheiden. Wegweisend sind die zeitliche Korrelation zur Medikamenteneinnahme und das fehlende Ansprechen auf Antihistaminika oder Kortison. Nach Absetzen des auslösenden Medikaments kommt es innerhalb von 24−48 Stunden zur Rückbildung der Symptome.

Wichtig ist, dass bei Patienten mit ACE-Hemmer-induziertem Angioödem auch die Gabe anderer Medikamente dieser Klasse vermieden werden sollte. In schweren Fällen kann die Gabe von C1-Esterase-Inhibitor oder Bradykinin-Rezeptor-Antagonisten erwogen werden.

Hereditäres Angioödem als seltene Differentialdiagnose

Eine seltene, aber wichtige Differentialdiagnose bei rezidivierenden Angioödemen ist das hereditäre Angioödem (HAE). Es wird durch einen genetischen Defekt im C1-Esterase-Inhibitor-Gen verursacht, was zu einem Mangel oder einer verminderten Funktion dieses regulatorischen Proteins führt. Die Folge ist eine unkontrollierte Aktivierung des Kallikrein-Kinin-Systems mit einer übermäßigen Bradykinin-Freisetzung.

HAE wird autosomal-dominant vererbt, tritt meist familiär gehäuft auf und manifestiert sich häufig bereits im Kindes- und Jugendalter. Typisch sind wiederkehrende Schwellungsattacken der Haut, Schleimhäute und inneren Organe, die unabhängig von Allergenen oder Medikamenten auftreten. Besonders gefürchtet sind Kehlkopfödeme, die unbehandelt zum Erstickungstod führen können.

Die Diagnose erfolgt durch den Nachweis eines erniedrigten C1-Esterase-Inhibitors in Kombination mit erniedrigtem C4 und einer positiven Familienanamnese. Bei Verdacht sollte eine Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum erfolgen.

Therapeutisch stehen für die Akutbehandlung und Prophylaxe von Attacken neben C1-Esterase-Inhibitor-Konzentraten auch Bradykinin-Rezeptor-Antagonisten und Kallikrein-Inhibitoren zur Verfügung. Entscheidend sind zudem die Schulung der Patienten und die Erstellung eines Notfallplans. Dank der verbesserten Therapiemöglichkeiten ist die Prognose des HAE heute deutlich günstiger als früher.