Von keinem geringeren als von unserem guten, alten Meister Goethe stammt der Ausspruch: „Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“ Welch wunderschöne Weisheit! Zwischen diesen beiden Polen, die Behüten und Loslassen einschließen, ist eigentlich alles in knappster Form darüber gesagt, wie man Kinder erziehen soll. An dieser Stelle soll bewusst die Formulierung „richtig erziehen soll“ vermieden werden, weil das nicht der Maßstab für einen Erziehungsstil sein kann.
Maßstab sind die Individualität eines Kindes, seine besonderen Veranlagungen, seine Neigungen und Abneigungen, seine Herkunft. Es gibt also nicht d e n Erziehungsstil. Auch Eltern unterscheiden sich voneinander und verhalten sich ihren Kindern gegenüber auf unterschiedliche Art und Weise. Was beim Elternpaar A gut und richtig ist muss beim Elternpaar B überhaupt nicht stimmen, weil deren Kind eine völlig andere Persönlichkeit ist.
Die Unterschiedlichkeit im Erziehungsstil wird auch geprägt durch die Lebenserfahrungen, den Wertevorstellungen und den Charaktereigenschaften der Eltern. Wobei hier immer wieder Reibungspunkte mit den „Kleinen“ auftreten können, was zunächst eine ganze normale Erscheinung darstellt.
Erziehungsstile brauchen klar getrennte Linien
Der Erziehungsstil sagt also zunächst nichts aus über den einzigen richtigen Weg zur Erziehung der Kinder. Er sagt etwas aus über eine Grundhaltung der Eltern gegenüber ihrem Kind, unabhängig davon, wie dieses sich verhält und in welcher Situation es sich bzw. zusammen mit den Eltern befindet. Es geht also um bestimmte Normen, Muster und auch Grenzen, die einen Erziehungsstil prägen, und von denen sich mit der Zeit mehrere Grundtypen herausgebildet haben – oder besser gesagt: die beginnend mit dem Zeitalter der Aufklärung von Philosophen, Pädagogen und Soziologen bestimmt worden sind.
Das Spektrum reicht von autokratisch über demokratisch bis negierend. Da aber das Leben bunter ist als alle graue Theorie, können in der Praxis die Erziehungsstile nie klar voneinander getrennt werden und immer nur nach einem Stil verfahren werden. Da kann es fließende Übergänge geben oder es zeitweise zu Vermischungen kommen. Eine ziemlich komplexe Angelegenheit also. Wie das ganze Leben eben.
Persönlicher Erziehungsstil – Persönliche Verantwortung
Wie auch immer sich die Welt zeigt, welcher Zeitgeist gerade herrscht, welche allgemeinen Wertevorstellungen herrschen, oder welche Kultur dominiert – die eigenen Eltern und ihr Verhalten sind immer noch die prägendsten Momente im Leben eines Kindes und seiner Entwicklung. Die persönliche Verantwortung kann den Eltern trotz außerfamiliärer Angebote wie Kita, Hort, Schule, Zirkel, Vereine u. ä. Einrichtungen niemand abnehmen.
Ob man sein Kind mit Strenge, mit Milde, mit Nachlässigkeit oder mit Partnerschaft erzieht, ist eine Frage der Intuition, der Erfahrung und vor allem des Abwägens. Wie bereits erwähnt: Man kann hinsichtlich der Methoden keine klaren Trennungen vornehmen geschweige denn immer nur auf einen Stil setzen. Auch Otto von Bismarck hatte da so seine Weisheiten, eine lautet: „Mit den Kindern muss man zart und freundlich verkehren. Das Familienleben ist das beste Band. Kinder sind unsere besten Richter.“
Genau. Denn so, wie wir unsere Kinder behandeln, so werden sie es uns danken – mit Liebe, mit Verachtung oder mit Gleichgültigkeit.